
ALLE PERSONEN, NAMEN, NACHNAMEN, VÄTERLICHEN NAMEN, BEZEICHNUNGEN VON ORTEN, STRASSEN, FIRMEN, ORGANISATIONEN, UNTERNEHMEN, GESELLSCHAFTEN SOWIE DIE IN DIESEM BUCH BESCHRIEBENEN HANDLUNGEN SIND FREI ERFUNDEN. JEDE ÜBEREINSTIMMUNG MIT HISTORISCHEN EREIGNISSEN, TATSÄCHLICH LEBENDEN ODER VERSTORBENEN PERSONEN IST ZUFÄLLIG.
Komödie in einem Akt
Die vier Lenas
Personen:
Erzähler, ein Mann.
Lenusja, glamouröse Blondine, mit langen Haaren.
Jelena Pawlowna, klug, nerzig, Haare zu einem Dutt zusammengesteckt, mit Brille.
Lena, Brünette mit langen Haaren.
Lenok, kurzer Haarschnitt, ein Kumpeltyp, Sportlerin.
Die Handlung spielt in einem teuren Restaurant, an einem Tisch, in der VIP-Zone.
Ein schöner, geräumiger Raum, an den Wänden Gemälde und ein Plasmafenster. Gedämpftes Licht. In der Raummitte — ein großer Tisch. Auf dem Tisch — Speisen und Getränke.
Erzähler. Eines Tages, an einem gewöhnlichen Sommerabend, trafen sich in der VIP-Zone eines teuren Restaurants vier dicke Freundinnen. Vier Lenas.
(Lärmend und feiernd betreten die vier Heldinnen den Raum.)
Lena. (Verspielt und laut.) Mädels, willkommen zur Party!
(Alle beginnen zu klatschen und jubeln laut.)
Lena. Setzt euch, Freundinnen.
(Alle nehmen ihre Plätze ein.)
Lena. (Mustert alle flüchtig.) Wie froh ich bin, euch zu sehen, meine Lieben! (Alle fassen sich an den Händen, lächeln und singen einen Sprechchor.)
Weschki sind die Besten! Weschki sind die Besten! Vor uns liegt der Erfolg! Denn Weschki, Weschki sind die Besten!
(Alle beginnen zu applaudieren und jubeln.)
Lena. (laut) Der neunte «W», die Besten!
Lenok. Absolut!
Pause.
Lena. Also, wer fängt an?
Jelena Pawlowna. (Überheblich, rückt ihre Brille zurecht.) Ich werde wohl anfangen. (Steht auf) Also, was soll ich sagen, Freundinnen… Wir haben uns fünf Jahre nicht gesehen, und ich bin froh, euch bei guter Gesundheit zu sehen. Ich möchte mich noch einmal bei Lenusja bedanken. Unserer blonden Göttin, dafür, dass sie damals… vorgeschlagen hat, uns alle fünf Jahre zu treffen. Und bis zu diesem Treffen — uns überhaupt nicht zu sehen und nicht zu kommunizieren! Das ist wirklich sehr praktisch. Lenusjas Initiative fand Widerhall in meinem Herzen und in den Herzen all ihrer Freundinnen. In den fünf Jahren, in denen wir uns nicht sehen, sammelt jede von uns sehr viele Neuigkeiten. Diese Neuigkeiten gäbe es nicht… wenn wir jeden Tag kommunizieren würden!
Dank dir, Freundin, für die Möglichkeit, wirklich Neuigkeiten zu erzählen, und nicht gedankenlos zu tratschen! (Setzt sich an den Tisch.)
Lenusja. (Rührt sich.)
(Alle lächeln und applaudieren.)
Lenusja. (Rührt sich.) Mädchen, vielen Dank. Jelena Pawlowna, nun, du bist in deinem Repertoire… Streng und sachlich!
(Alle lächeln.)
Lenok. Ja, so ist sie! Miss Ernsthaftigkeit!
Lena. Die Einzige von uns, die sich überhaupt nicht verändert hat. Jelena Pawlowna, du siehst so jung aus, wie machst du das nur? Trinkst du Jungfernblut?
(Alle lachen.)
Jelena Pawlowna. (Lächelt.) Ach, wenn doch, Mädchen… Einfach eine gesunde Lebensweise. Das ist alles!
Lenusja. Erzähl, auf welcher Diät bist du?
Jelena Pawlowna. Auf einer Diät? Ich mache keine Diät. Ich esse alles, was ich will und wann ich will!
Lenusja. Aber… du hast doch gesagt — gesunde Lebensweise…
Jelena Pawlowna. Nun ja. Ich rauche nicht und trinke nicht. Und ich werde nicht dick, weil ich so einen Stoffwechsel habe! (Kichert.)
(Alle schauen sich an.)
Lenok. Da hast du Glück, Freundin. Ich bin immer auf einer harten Diät. Ich bin doch Sportlerin. Und… neige auch noch zu Fülle. Deshalb kann ich nicht alles essen, was ich will! Na, vielleicht heute… Ich werde essen und trinken bis zum Abwinken, und morgen… Werde ich diese Kalorien im Fitnessstudio abtrainieren!
(Alle lachen.)
Lenusja. Lenok, erzähl, wie geht’s dir? Was gibt’s Neues?
Lenok. (Etwas verlegen.) Ja… Was… Treibe Sport. Lebe, wie bisher, in der Nachbarstadt. Arbeite auch dort. Unterrichte Kinder in Aerobic. Bei mir ist alles beim Alten. Wie geht’s dir? Erzähl!
Lenusja. (Kokett, lächelnd.) Ich… Mir geht’s gut! Kürzlich waren mein Mäusebär und ich am Meer. Hab mich gebräunt, eingekauft… Also, bei mir ist auch alles wie immer. Gut!
(Alle mustern die Bräune. Lächeln. Loben.)
Lena. Noch nicht Mutter geworden?
Lenusja. Nein!
Lena. Und warum nicht? Wann habt ihr denn vor? Die Zeit vergeht!
Lenusja. (Faul. Lässig.) Weiß nicht… Vielleicht später…
Lena. Kinder — das ist wunderbar. Ich habe zwei. Und ich liebe sie einfach!
Jelena Pawlowna. Liebste, hast du den Papa für deine Kinder schon gefunden?
Lena. Noch nicht. (Lächelt dümmlich.) Aber ich bin aktiv auf der Suche! Und du, Jelena Pawlowna, bist du verheiratet?
Jelena Pawlowna. (Ernst.) Ich bin mit meiner Arbeit verheiratet! Meine Karriere ist wichtiger als eine dumme Ehe!
Lenusja. Was denn? Die biologische Uhr tickt doch.
Jelena Pawlowna. (Lächelt.) Freundin, schon bald. Schon bald… werde ich sicher heiraten… Aber vorläufig — Arbeit an erster Stelle. Entschuldige!
Pause.
(Das Licht im Saal erlischt. Alle Heldinnen erstarren. Ein Scheinwerfer beleuchtet Jelena Pawlowna. Sie steht vom Stuhl auf und tritt langsam in die Mitte der Bühne, wendet sich an den Saal.)
Jelena Pawlowna. (Überheblich.) Um ehrlich zu sein, in der Schule, in unserer Klasse… haben mich alle beneidet. Wegen meines Intellekts. Meiner Kommunikationsfähigkeit. Meiner feinen Figur. Seit der ersten Klasse lerne ich mit diesen… Frauen… Vier Lenas in einer Klasse! Um wahnsinnig zu werden! Um Verwechslungen zu vermeiden, schlug ich vor, einander so zu nennen, wie wir uns jetzt nennen. Die blonde Lena wurde natürlich Lenusja. Was denn sonst?! Die brünette Lena blieb einfach Lena. Den Kumpel Lena nannte man Lenok. Und ich, (Lächelt überheblich.) wurde Jelena Pawlowna. Anders konnte es nicht sein! Eine kluge, schöne, gebildete Frau muss man einfach mit Vor- und Vatersnamen ansprechen! Und nicht anders!
(Dreht sich um und kehrt mit gemächlichem Gang zum Tisch zurück. Der Scheinwerfer erlischt. Das Licht im Saal geht an. Die Heldinnen unterhalten sich weiter.)
Pause.
Lena. Lenok, und du, bist du noch nicht verheiratet?
Lenok. (Bescheiden.) Nein.
Lena. Warum? Hast du in all den Jahren wirklich niemanden getroffen?
Lenok. Was soll man machen… So ergibt es sich… Nein.
Lena. Na… wenigstens verliebt?
Lenok. Nein.
Lenusja. Hör doch auf sie. Sie hat niemanden getroffen, das kommt vor! Du, sieh an, bist auch allein. Weißt du doch, wie schwer es ist heutzutage, einen normalen Mann zu treffen.
Pause.
(Das Licht im Saal erlischt. Alle Heldinnen erstarren. Ein Scheinwerfer beleuchtet Lena. Sie steht vom Stuhl auf und tritt langsam in die Mitte der Bühne, wendet sich an den Saal.)
Lena. Um ehrlich zu sein, in der Schule, in unserer Klasse, haben mich alle beneidet. Wegen meiner Schönheit. Meiner von Natur aus schönen Figur. Meinen dunklen und dichten Haaren. Auch wenn viele sagen, dass ich eigentlich rothaarig bin. Und mich nur dunkel färbe. Offiziell erkläre ich: Das stimmt nicht! Ich bin Brünette! Und nicht rothaarig. Naturbrünette! Hm… Und sie fragt mich noch, ob ich wüsste, wie schwer es ist, einen normalen Mann zu treffen? Weiß ich! Und ob ich das weiß! Ich habe zwei Kinder, zwei Ehen hinter mir. Ich weiß, wie schwer es ist, einen normalen Mann zu finden. Besonders, wenn freche, gefärbte Blondinen dir die Jungs wegschnappen. Lenusja war immer neidisch, dass ich bei den Jungs beliebter war als sie. Immer! Kaum lerne ich jemanden kennen, taucht auch schon sie am Horizont auf… Und fängt an, mit ihrem flachen Hintern zu wackeln! Hat mir immer meine Jungs weggeschnappt. Einfach immer! Neid — das ist ihr zweiter Name! Genauso wie alle anderen, hat sie mir ihren heutigen Mann weggeschnappt. Mäusebär… So nennt sie ihn. Ein wohlhabender, hübscher Mann… Er hätte mir gehört müssen… Jetzt fährt sie in Ferienorte, und ich… erziehe zwei Kinder. Allein!
(Dreht sich um und kehrt mit gemächlichem Gang zum Tisch zurück. Der Scheinwerfer erlischt. Das Licht im Saal geht an. Die Heldinnen unterhalten sich weiter.)
Pause.
Lenok. Jelena Pawlowna, erinnerst du dich, wie in der fünften Klasse Paschka Iwanow dir den Hof gemacht hat? Stehst du mit ihm nicht in Kontakt?
Jelena Pawlowna. Nein. Wozu sollte ich das?
Lenok. Er ist mit mir befreundet. In sozialen Netzwerken. Hat dir ein großes Hallo bestellt. Du gefällst ihm immer noch. Vielleicht würdest du ihm ein paar Zeilen schreiben. Wer weiß… (Lächelt kokett.)
Jelena Pawlowna. Liebste, das interessiert mich nicht.
Lenusja. Was heißt, das interessiert dich nicht? Meinst du Liebe oder Intimes?
Jelena Pawlowna. Beides!
(Alle gleichzeitig.) Was?
Lena. (Interessiert.) Moment, Moment, Freundin, warte. Von dieser Stelle aus genauer. Wie meinst du das?
Jelena Pawlowna. Was genau wie?
Lenusja. Wie lebst du ohne das?
Jelena Pawlowna. Was, seid ihr alle so aufgeregt? Ohne was? Ohne «das»?
— Ohne «das»? (Sagen alle im Chor.)
Lenok. Erzähl.
Jelena Pawlowna. Was wollt ihr denn? Bei mir ist alles normal.
Lena. Nein, warte. So einfach kommst du nicht davon! Sprich, du Schlauberger. Wie lebst du ohne das?
Jelena Pawlowna. Und wie lebst du ohne das?
Lena. Schlecht! (Lächelt.) Ich, wie jede normale Frau, brauche das notwendigerweise! Deshalb war ich auch überrascht, dass du das nicht brauchst!
Jelena Pawlowna. Weiß nicht. Ich denke nicht darüber nach. Ich habe keine Zeit!
Pause.
(Das Licht im Saal erlischt. Alle Heldinnen erstarren. Ein Scheinwerfer beleuchtet Lenusja. Sie steht vom Stuhl auf und tritt langsam in die Mitte der Bühne, wendet sich an den Saal.)
Lenusja. Um ehrlich zu sein, in der Schule, in unserer Klasse, haben mich alle beneidet. Wegen meiner Schönheit. Meiner idealen Figur. Meiner natürlichen Haarfarbe. Da, zum Beispiel, Lena… Sie ist rothaarig! Auch wenn sie allen erzählt, sie sei Naturbrünette. Ich war mal bei ihr zu Besuch und sah dort Haarfärbemittel. Sie sagte mir, das gehöre nicht ihr, sondern ihrer Mutter. Aha, das habe ich ihr geglaubt! Sie ist rothaarig. Ganz sicher! Und außerdem ist sie furchtbar neidisch! Alle Jungs in der Schule waren ganz verrückt nach mir. Kaum lerne ich jemanden kennen, taucht auch schon Lena auf… und macht ihm schöne Augen. Das hat nie funktioniert! Jungs haben immer mich gewählt. Und sie… hat sich dann furchtbar aufgeregt. Neid — ihr zweites Ich! Und was Jelena Pawlowna betrifft… sie war vom ersten Schuljahr an eine Nörglerin. Streberin! Klassensprecherin. Liebling aller Lehrer. Alles scheinbar gut, aber in der Liebe hatte sie nie Glück! Ein paar Jahre hat der Klassenkamerad Paschka ihr nachgestellt. Und dann, als er begriff, dass ihm nichts blühte, zog er sich zurück! Kein Wunder, dass sie sagt, dass sie das nicht braucht… Nur ein Verrückter könnte auf sie fliegen!
(Dreht sich um und kehrt mit gemächlichem Gang zum Tisch zurück. Der Scheinwerfer erlischt. Das Licht im Saal geht an. Die Heldinnen unterhalten sich weiter.)
Pause.
Lenok. Mädchen, hört auf, Jelena Pawlowna unter Druck zu setzen. Ich verstehe sie ausgezeichnet. Ich bin auch allein und habe wirklich keine Zeit, an Liebe zu denken. Und erst recht nicht an das…
Jelena Pawlowna. Seht ihr, ich bin nicht die Einzige. Danke, Freundin.
Lena. Na, ich weiß nicht. Ich habe auch immer viel zu tun. Und Arbeit, und zwei Kinder. Aber Liebe… Die will ich manchmal, oh, wie sehr. Da knacken mir die Zähne! (Lacht.)
(Alle lachen.)
Lenusja. Ja, ihr habt mein Mitgefühl, Mädchen. Ihr habt wirklich Pech gehabt! Mir ist irgendwie vor euch sogar unwohl. Ich bin die Einzige, die verheiratet ist, und mit Liebe und Intimem hatte und habe ich immer alles in Ordnung!
Pause.
(Das Licht im Saal erlischt. Alle Heldinnen erstarren. Ein Scheinwerfer beleuchtet Lenok. Sie steht vom Stuhl auf und tritt langsam in die Mitte der Bühne, wendet sich an den Saal.)
Lenok. Um ehrlich zu sein, in der Schule, in unserer Klasse, haben mich alle beneidet. Wegen meiner Schönheit. Meiner sportlichen, idealen Figur. Meiner Zielstrebigkeit. Wenn ich mir ein Ziel setze, dann erreiche ich es auch bestimmt! Und diese ewigen Rivalinnen — Lenusja und Lena… Gefärbte Blondine und gefärbte Brünette. Die haben mich immer so amüsiert! Dem zuzusehen, wie sie um Jungs kämpfen, kann man ewig. Dieses Schauspiel wird nie langweilig! Alle Jungs in der Schule sind vor ihnen immer zurückgeschreckt. Haben sich in den Ecken versteckt, wenn sie sie sahen! (Lächelt.) Ich war immer von ihrer Fixiertheit beeindruckt. Immer nur Jungs im Kopf! Im Leben selbst nichts erreicht! Die eine hat gut geheiratet und tut so, als ob bei ihr alles in Ordnung sei. Die andere mit zwei Kindern von verschiedenen Ehen weiß nicht, wohin mit sich und wem sie sich schon anbieten soll. Arme Frauen. Sie tun mir wirklich leid. Aufrichtig! Jelena Pawlowna… das ist überhaupt eine eigene Geschichte. Gerade sie hat in der Schule das Gerücht verbreitet, ich sei nicht traditionell orientiert. Nur weil ich einen kurzen Haarschnitt habe und Sport treibe. «Du bist männlich…“, sagte sie zu mir in der siebten Klasse. Was? (Lächelt, erstaunt.) Ich war ein Teenager! Trieb Sport. Sieh mich jetzt an. Meine Figur könnte jedes Model beneiden! Die kluge Jelena Pawlowna erwies sich als einfache Blödmann. Die die menschliche Anatomie überhaupt nicht kennt. Na… oder… es machte ihr einfach Spaß, Menschen zu verletzen. Warum? Wegen ihrer eigenen Nichtigkeit! Mit ihrem Äußeren kann sie nicht glänzen, dürr. Haut und Knochen. Sie tut mir leid. Wirklich. Leid. Aufrichtig!
Pause.
(Dreht sich um und kehrt mit gemächlichem Gang zum Tisch zurück. Der Scheinwerfer erlischt. Das Licht im Saal geht an. Die Heldinnen unterhalten sich weiter.)
Jelena Pawlowna. Mädchen, mit der Zeit wird bei allen alles kommen! Und Liebe, und alles Übrige. Man muss nur ein bisschen warten. (Häme im Lächeln.)
Lena. Oh, deine Worte in Gottes Ohr! Möge es bald sein. Allein zwei Kinder durchzubringen ist schwer! Bin müde vom Arbeiten. Ich brauche dringend einen Mann!
Jelena Pawlowna. Verstehe ich richtig, Freundin, dass du deine Kinder einem fremden Mann aufhalsen willst?
Lena. (Verständnislos.) Was heißt «aufhalsen»?
Jelena Pawlowna. Im direkten Sinne! Willst du, dass ein völlig fremder Mann deine Kinder erzieht und versorgt?!
Lenok. Ooo… jetzt geht’s los…
Lena. Ich will niemanden irgendwo aufhalsen. Ich will mir einfach eine normale Familie. Das ist alles!
Jelena Pawlowna. Eine normale Familie? Ernsthaft? Du wirst mit deinen Kindern zu Hause sitzen. Und der Mann wird arbeiten und euch alle versorgen?
Lenok. Mädchen, vielleicht wechseln wir das Thema?
Lena. Und was ist daran schlecht? Das ist eine Familie!
Jelena Pawlowna. (Lacht.) Lena, das ist keine Familie. Das ist Sklaverei! Das sind deine Kinder! Warum soll ein fremder Mann sie versorgen? Erklär mir das, warum?
Lenok. Mädchen, ich meine es ernst, lasst uns das Thema wechseln! Genug gestritten!
Jelena Pawlowna. Lenok, unsere Freundin hat ein verdrehtes Familienbild! Wir müssen ihr helfen. Sie auf den rechten Weg führen.
Lena. (Lacht.) Was?
Jelena Pawlowna. Ja, ja, lach nicht. Du hast wirkliche Probleme. Wenn du denkst, dass du, indem du dich wie eine Zecke an einen Mann hängst, eine echte Familie gründest, irrst du dich. Das ist keine Familie!
Lena. (Lacht nervös.) Und was ist das dann deiner Meinung nach?
Jelena Pawlowna. Das sind parasitäre Beziehungen und Degradierung der Persönlichkeit. Das ist es!
Lena. (Lacht nervös.) Was für ein Unsinn?
Jelena Pawlowna. Das ist kein Unsinn, Liebste! Als meine Mutter mit mir schwanger wurde. So ergab es sich, dass sie keinen Mann hatte. Na, ihr wisst alle Bescheid… Mein Papa hat uns mit Mama sitzenlassen, noch vor meiner Geburt. Also, als meine Mutter schwanger wurde, sagte meine Großmutter zu ihr, dass ihr Kind — das ist nur ihre Verantwortung! Und niemandes sonst! Und dass sie kein moralisches Recht habe, diese Verantwortung auf fremde Schultern abzuwälzen! Und meine Mutter hat ihr ganzes Leben lang mich allein großgezogen und erzogen! Ist nicht heiraten gegangen und hat bis zu meinem achtzehnten Geburtstag keine romantischen Beziehungen gehabt. Sogar die Hilfe ihrer eigenen Mutter, meiner Großmutter, hat sie nicht angenommen. Und vor ihrem Tod weinte die Großmutter und sagte, sie sei bis ins Mark stolz auf ihre Tochter. Dass sie eine kluge, verantwortungsbewusste, starke Frau großgezogen habe! Meine Großmutter hat meiner Mutter eine Lektion erteilt. Die sie mit einer soliden Eins bestanden hat!
Sie hat ihren Geist gestählt und ist eine echte Persönlichkeit geworden! Verstehst du, worauf ich hinauswill?
Lena. (Senkt den Blick zum Boden.)
Jelena Pawlowna. (Nachsichtig.) Liebste, ich will dich nicht verletzen. Ich will nur sagen, dass wir, wenn wir eine Entscheidung im Leben treffen, nur wir selbst für diese Entscheidung die Verantwortung tragen! Und sonst niemand! Verstehst du?
Pause.
(Das Licht im Saal erlischt. Alle Heldinnen erstarren. Ein Scheinwerfer beleuchtet Lenusja. Sie steht vom Stuhl auf und tritt langsam in die Mitte der Bühne, wendet sich an den Saal.)
Lenusja. (Lächelt.) Oh, diese Jelena Pawlowna… Sie weiß alles. Versteht alles. Erteilt allen links und rechts Ratschläge! Ihre Mutter, Inessa Grigorjewna, ist in der Tat eine starke und unabhängige Frau. Nur, das kann man von ihrer Tochter nicht sagen. Bei all ihrem Anschein eines klugen Menschen ist Jelena Pawlowna sehr dumm. Sehr! Lena Ratschläge geben? (Grinst.) Sie war zwei Mal verheiratet. Ja, erfolglos, aber sie war es! Sie hat große Lebenserfahrung und zwei Kinder! Und was hat Jelena Pawlowna? Keinen Mann, keine Kinder. Karriere? Ja. Wen braucht diese Karriere? Die Karriere einer Frau ist es, gut zu heiraten! Ein guter Ehemann, der einen von A bis Z versorgt. Das ist die Karriere einer echten Frau! Männer mögen keine Klugen. Sie mögen Schöne und Gepflegte! Das beweist der Umstand, dass sie, obwohl sie in einer Männerumgebung arbeitet, immer noch nicht verheiratet ist! Nörglerin, Klatschbase und ein sehr dummer Mensch! Das ist Jelena Pawlowna.
Pause.
(Dreht sich um und kehrt mit gemächlichem Gang zum Tisch zurück. Der Scheinwerfer erlischt. Das Licht im Saal geht an. Die Heldinnen unterhalten sich weiter.)
Lenok. Mädchen, wenn ihr nicht augenblicklich aufhört zu streiten, werde ich gezwungen sein, hier wegzugehen!
Jelena Pawlowna. Liebste, niemand streitet. Ich habe Lena nur einen freundschaftlichen Ratschlag gegeben. Das ist alles!
Lena. (Lächelnd.) Ich habe dir zugehört, natürlich… aber bleibe bei meiner Meinung!
Jelena Pawlowna. (Verzieht den Mund. Schüttelt den Kopf.) Schade!
Lenusja. Mädels, warum esst ihr denn nichts? Haben wir uns umsonst zusammengelegt, oder was? Ich weiß, alle achten auf ihre Figur, deshalb ist hier alles nur Nützliches. Obst. Gemüsesalate. Fruchtgetränke. Alkohol gibt es nicht, da alle plötzlich strikte Abstinenzler geworden sind. Wahrscheinlich fordern die Jahre ihren Tribut!
(Alle lachen. Fangen an, mit Händen und Köpfen zu wedeln.)
— Hör auf… Kein Wort über das Alter… Genug!
Lenusja. (Lächelt.) Alles, alles. Ich habe gescherzt. Gescherzt! Wir sind alle jung und hübsch!
(Alle stimmen fröhlich und keck zu.)
— Ja. Wir sind immer achtzehn!
Lenusja. Ihr jungen Dinger. (Hebt das Glas mit Fruchtgetränk.) Nehmt eure Gläser mit den in jeder Hinsicht alkoholfreien Getränken. Und lasst uns endlich auf das Wiedersehen anstoßen. Sonst reden wir nur und reden. Wir haben uns fünf Jahre nicht gesehen. Mädels, ich freue mich, euch alle zu sehen! (Lächelt.)
(Alle ergreifen fröhlich ihre Gläser. Stehen auf. Und stoßen damit an, feiern und trinken.)
Pause.
Lenusja. Mädels, erinnert ihr euch an unsere Klassenlehrerin, Irina Wassiljewna? Eine gute Frau war das. Streng, aber gerecht. In den unteren Klassen hatte ich sogar Angst vor ihr, und als ich älter wurde, gewöhnte ich mich so an sie, dass ich nach dem Schulabschluss sehr um sie trauerte. (Lächelt mit Traurigkeit in den Augen.)
Lenok. Ja. Mir fehlt sie auch. Eine gute Frau war das.
Jelena Pawlowna. Warum war?
Lenusja. Sie ist vor einem Jahr gestorben.
Jelena Pawlowna. Was? (Staunt, macht große Augen.) Wie habt ihr das erfahren?
Lenusja. Ich habe mit ihr in sozialen Netzwerken kommuniziert. Als sie starb, hat mir ihre Tochter Bescheid gegeben. Ich schreibe manchmal auch mit ihr.
Jelena Pawlowna. Und warum hat man mir nicht geschrieben?
Lena. Ich wusste auch nichts! (Schaut alle erstaunt an.)
Lenusja. Und wie hätten wir es dir mitteilen sollen, wir hatten doch eine Abmachung. Nur alle fünf Jahre zu kommunizieren.
Jelena Pawlowna. Meinst du das ernst? Man hätte eine Ausnahme machen können! Man hätte Bescheid sagen müssen!
Lenusja. Na, entschuldige. Wusste nicht, dass es dir so wichtig ist.
Jelena Pawlowna. Natürlich ist es wichtig! Das ist doch meine Klassenlehrerin.
(Das Licht im Saal erlischt. Alle Heldinnen erstarren. Ein Scheinwerfer beleuchtet Lenusja. Sie steht vom Stuhl auf und tritt langsam in die Mitte der Bühne, wendet sich an den Saal.)
Lenusja. Deine Klassenlehrerin? Ernsthaft? Und warum hast du dich dann nicht mit ihr in Verbindung gesetzt? Du warst doch ihr Liebling! Sie hat dich mit Samthandschuhen angefasst! «Meine Lena, meine Lena…» Hat uns dich als Beispiel hingestellt. Wir Mädchen, wir alle mussten uns die größte Mühe geben, damit sie uns Beachtung schenkte. Wir brauchten ihre Zustimmung. Ihre Aufmerksamkeit war uns wichtig. Aber sie schenkte sie dir! Und was ist am Ende dabei herausgekommen? Kaum hattest du dein Schulabschlusszeugnis, hast du sie sofort vergessen! Deine Klassenlehrerin? Heuchlerin! Lügnerin bist du und Heuchlerin!
(Dreht sich um und kehrt mit gemächlichem Gang zum Tisch zurück. Der Scheinwerfer erlischt. Das Licht im Saal geht an. Die Heldinnen unterhalten sich weiter.)
Lenusja. Entschuldigt. Ich hätte euch wirklich Bescheid sagen sollen! Aber ich habe an unserer Abmachung festgehalten. Entschuldigt, Mädels, (Schaut Lena und Jelena Pawlowna an.) ich habe Unrecht getan!
Lena. Schon gut. Lasst uns auf Irina Wassiljewna trinken. Eine gute Frau war das!
(Alle heben ihre Gläser mit Saft und trinken, ohne anzustoßen, daraus.)
(Das Licht im Saal erlischt. Alle Heldinnen erstarren. Ein Scheinwerfer beleuchtet Lena. Sie steht vom Stuhl auf und tritt langsam in die Mitte der Bühne, wendet sich an den Saal.)
Lena. Ich bin über Lenusjas Handlungen nicht überrascht. Sie hat immer getan, was sie wollte. Eine, die sich ihren eigenen Reim macht. Wollte in allem die Nummer eins sein. Aber vergeblich! Sie trieb sich den ganzen Tag um Irina Wassiljewna herum… aber die schenkte ihr keine Beachtung. Machte den hübschesten Jungs in der Schule schöne Augen… aber die wählten immer andere. Nicht sie! Und Jelena Pawlowna hat mich wirklich überrascht. Sich nicht mit der Lehrerin in Verbindung setzen, die ihr geholfen hat, die Schule mit der Goldmedaille abzuschließen. Da fehlen mir die Worte! Wie sie die Lehrer überredete, ihr Zugeständnisse zu machen und die Noten aufzubessern. Sie hatte Sorgen wie um eine eigene Tochter! Und Jelena Pawlowna erwies sich, gelinde gesagt, als undankbarer Mensch! Ließ niemanden in der Klasse bei sich abschreiben. Und jetzt ist sie beleidigt, warum ihr niemand etwas mitgeteilt hat. Das ist natürlich superfrech. Aber darin besteht die ganze Jelena Pawlowna. Und Lenok? Wozu hat sie sich überhaupt mit Irina Wassiljewna in Verbindung gesetzt? Die hat sie doch nie wahrgenommen! Lenok war ständig auf ihren Sportwettkämpfen. Monatelang war sie nicht in der Schule! Sich so abmühen, trainieren, wofür? Um am Ende als Sportlehrerin in einer Privatschule zu arbeiten? (Lächelt.) Lächerlich!
(Dreht sich um und kehrt mit gemächlichem Gang zum Tisch zurück. Der Scheinwerfer erlischt. Das Licht im Saal geht an. Die Heldinnen unterhalten sich weiter.)
Pause.
Lenok. Mädchen, lasst uns nicht streiten?! Lenusja hat die Abmachung eingehalten. Außerdem hat sie sich schon entschuldigt. Lasst uns das Thema wechseln.
Jelena Pawlowna. (Nachsichtig.) Ich habe nichts dagegen, lasst uns wechseln.
Lenok. (Lächelt.) Ich erzähle euch eine lustige Begebenheit. Ich unterrichte Kinder in Gymnastik. Da kam einmal der Papa eines Mädchens zu meinem Unterricht. Immer brachte und holte die Mama sie. Aber da kam der Papa herein. Als ich ihn sah, traute ich meinen Augen nicht. Das war Jorka Pirow aus der Parallelklasse. Nur, was die Sache ist, er heißt nicht mehr Pirow, sondern Semjonow. Stellt euch vor, er hat den Namen seiner Frau angenommen.
(Alle lachen ausgelassen.)
Lenusja. Was? (Lacht.) Er war doch so brutal in der Schule.
Lenok. Das Stichwort ist war. (Lacht.) Wir haben uns unterhalten. Er erzählte, dass seine Frau eine reiche Frau sei, außerdem sechs Jahre älter als er. Das war ihre Forderung, dass er seinen Namen ändert. Er sagte, er fürchte sich, ihr ein überflüssiges Wort zu sagen. Um des schönen Lebens willen erträgt er all ihre Marotten.
Lena. Es stellt sich also heraus, er ist geheiratet? (Lacht.)
Lenok. Es stellt sich so heraus! (Lacht.)
Lenusja. Seht ihr, Mädels, wie es im Leben kommt. War ein brutaler Junge und wurde eine Hausfrau.
(Alle lachen ausgelassen.)
Jelena Pawlowna. Lena, du warst doch irgendwie mit ihm zusammen?
Lena. Da war was. Wir haben uns getroffen.
Jelena Pawlowna. Und wie war er so?
Lena. Küssen, normal. Und bis zum Bett ist es nicht gekommen. Ich habe mich in meinen ersten Mann verliebt, deshalb haben wir uns getrennt.
Jelena Pawlowna. Verstehe. Und warum hast du dich dann mit dem ersten Mann schließlich scheiden lassen?
Lena. Mit dem ersten?
Jelena Pawlowna. Ja.
Lena. Ich habe mich in meinen zweiten Mann verliebt.
Lenusja. Und du, wie ich sehe, bist eine verliebte Dame?! (Lächelt.)
Lena. Da ist was dran! Bekenne. (Lächelt.)
Jelena Pawlowna. Und ich dachte, er hätte dich geschlagen und betrogen.
Lena. Nein. Er war ein guter Mensch. Aber der zweite hat geschlagen und betrogen. Deshalb haben wir uns scheiden lassen.
Jelena Pawlowna. (Lächelt.) Eben Karma in Aktion. Schrecklich!
Lena. Stimmt! (Lächelt.) Was man hat, schätzt man nicht, wenn man es verliert, weint man.
Lenok. Bereust du, dass du dich von deinem ersten Mann hast scheiden lassen? Würdest du alles zurückhaben wollen?
Lena. Nein. Er ist zu gut für mich! Ich liebe Halunken!
Lenusja. (Lächelt.) Da haben wir die weibliche Natur. Warten ein Leben lang auf einen Prinzen auf dem weißen Pferd, und am Ende leben wir mit allen möglichen Gremlins!
Lena. Das stimmt!
(Alle lachen.)
(Das Licht im Saal erlischt. Alle Heldinnen erstarren. Ein Scheinwerfer beleuchtet Jelena Pawlowna. Sie steht vom Stuhl auf und tritt langsam in die Mitte der Bühne, wendet sich an den Saal.)
Jelena Pawlowna. Ja, Frauen sind seltsam. Suchen Prinzen und finden Gremlins! Lenusja hat recht. Aber, das alles betrifft nicht mich! Mich interessieren keine Gremlins. Ich verdiene Besseres! Ich bin eine gebildete, schöne, selbstbewusste Frau. Ich weiß, was ich will. Ich brauche einen Mann, der fest auf dieser Erde steht. Ein reifer, erfahrener Mann. Wohlhabend. Gutaussehend. Sergej. Lenusjas Mann. So einen Mann brauche ich! Sie nennt ihn Mäusebär. Nein. Er ist kein Mäusebär. Im Bett ist er ein echter Tiger. Ein unermüdlicher Liebhaber! Braucht ihr mich nicht zu verurteilen. Im Kampf um das eigene Glück sind alle Methoden gut! Er passt besser zu mir als zu ihr. Sie ist eine dumme Blondine. Sie ist mir nicht gewachsen! Freundin? Nein! Sie ist keine Freundin für mich und war es auch nie. Wir haben nur in derselben Klasse gelernt, mehr nicht. Die Kindheit ist vorbei, das Erwachsenenleben hat begonnen. Wir treffen uns schon seit einem Jahr. Wir haben Gefühle. Ganz ernsthaft. Ja, ich habe die Initiative ergriffen. Ich musste mich anstrengen, damit er in meinem Bett landete. Aber, wie man so sagt, wer leben will, muss sich zu helfen wissen! Er hat versprochen, dass er sie verlassen wird. Sagte, dieses Neujahr werden wir schon zusammen feiern. Als Paar. Ich glaube ihm. Und wenn er das nicht tut… (Grinst.) Dann wird Lenusja erfahren, dass ihr Mäusebär schon lange zu einem anderen Bienenstock fliegt…
(Lächelt.)
(Dreht sich um und kehrt mit gemächlichem Gang zum Tisch zurück. Der Scheinwerfer erlischt. Das Licht im Saal geht an. Die Heldinnen unterhalten sich weiter.)
Lenusja. (Wischt sich Lachtränen aus den Augen.) Oh, Mädchen, mit euch wird es nicht langweilig! Lange habe ich nicht mehr so gelacht.
Lenok. Das Thema Ex-Freunde — das ist unser Lieblingsthema! Nicht wahr, Mädchen? (Lächelt.)
Lena. Das wohl! (Lächelt.)
Lenok. (Lächelt.) Seltsame Sache. Wenn wir mit ihnen zusammen sind, sind sie für uns — die Liebsten. Und sobald wir uns trennen, verwandeln sie sich automatisch, alle samt, in Arschlöcher! Warum ist das so?
Lena. Oh, ich weiß nicht. Ich habe mich ruhig von meinen Ex-Freunden getrennt. Immer als Erste gegangen. Selbst. Ich halte sie nicht für Arschlöcher.
Jelena Pawlowna. Aber sie dich, sicherlich!
(Alle lachen.)
Lena. Das stimmt! Wie haben sie mich nur nicht genannt.
(Alle lachen.)
Lenok. (Lächelt.) Jelena Pawlowna, du schweigst dich in dieser Frage immer aus. Erzähl doch wenigstens etwas über deine Ex-Freunde.
Jelena Pawlowna. Lenok, zum Glück oder Unglück habe ich nichts zu erzählen. Ich hatte keine Ex-Freunde. Ich strebe danach, eine Beziehung ein einziges Mal und für das ganze Leben aufzubauen! Deshalb gebe ich mich nicht mit Gremlins oder Prinzen ab. Ich brauche sofort einen König! Das ist mein Ziel.
Lenusja. (Lächelt.) Ein Ziel, das Achtung verdient! Ich denke, bei dir wird alles klappen. Du wirst deinen König bestimmt finden.
(Das Licht im Saal erlischt. Alle Heldinnen erstarren. Ein Scheinwerfer beleuchtet Lenusja. Sie steht vom Stuhl auf und tritt langsam in die Mitte der Bühne, wendet sich an den Saal.)
Lenusja. Einen König? Sie wollte einen König? Nun denn… (Grinst.) Ich denke, bei ihr wird alles klappen. Sie hat das wirklich verdient! Sie hat sich so angestrengt, meinen Mann rumzukriegen. So kunstvoll getäuscht und diese Tatsache verborgen… dass sie sich verkalkuliert hat! Ja, mein Mann ist in der Tat gutaussehend und für seine Jahre durchaus ansehnlich. Nur, mit der Potenz hat er schon lange nichts mehr auf dem Kasten. Ohne spezielle Medikamente geschieht kein Wunder! Außerdem fallen ihm die Haare auf dem Scheitel aus. In seiner Familie, väterlicherseits, sind alle kahl. Letztendlich wird er ohne Haartransplantation in absehbarer Zeit seine herrliche Mähne verlieren! Aber eine Transplantation wird er nicht machen. Warum? Das kostet viel Geld. Und das hat er einfach nicht! Sein gesamtes Business und alles, was wir in der Ehe erworben haben, ist auf mich eingetragen. Warum? (Grinst.) Weil mein Papa uns damals, vor langer Zeit, Geld für die Entwicklung unseres Businesses gab und darauf bestand, dass ich mich nur um die Papierkümmereien kümmere. Mein Mann — ist nur das Gesicht unseres Businesses, und ich bin seine Besitzerin! Und das Passwort von seinem Handy kenne ich auch. Der arme Mäusebär, er war sich meiner so sicher, dass er seine Korrespondenz mit Jelena Pawlowna nicht gelöscht hat. Dachte, ich würde nicht in seinem Telefon herumschnüffeln. Hat sich verkalkuliert! Ich habe alles erfahren! Jelena Pawlowna, ich werde alles tun, damit du deinen König bis zum Neujahr bekommst. Allerdings wird der König nackt sein. Ohne einen Cent in der Tasche, ein kahl werdender König-Impotent! Gegen Neujahr werde ich die Scheidung einreichen. Ich wünsche dir Glück, liebe Jelena Pawlowna. Denn das hast du wirklich verdient!
(Dreht sich um und kehrt mit gemächlichem Gang zum Tisch zurück. Der Scheinwerfer erlischt. Das Licht im Saal geht an. Die Heldinnen unterhalten sich weiter.)
Lena. Jelena Pawlowna, würdest du einverstanden sein, eine Geliebte zu werden?
Jelena Pawlowna. In welchem Sinne?
Lena. Na, wenn ein verheirateter Mann dir vorschlagen würde, seine Geliebte zu werden? Würdest du einverstanden sein?
Jelena Pawlowna. Ich weiß nicht. Wozu diese Fragen?
Lena. Einfach interessant. (Lächelt.) Heraus damit. Sei ganz offen!
Jelena Pawlowna. (Widerwillig.) Ich weiß nicht. Eine Geliebte — bestimmt nicht! Aber mit der Perspektive, die Frau zu werden, dann ja.
Lenusja. Und was ist mit moralischen Prinzipien? Und weiblicher Solidarität?
Jelena Pawlowna. Worüber redest du?
Lenusja. Du wirst einer Frau Schmerz zufügen. Ihr den Mann wegnehmen. Eine Familie zerstören!
Jelena Pawlowna. Was Festes ist schwer zu zerstören! Außerdem ist ein Mann kein Kalb, das man wegführen kann. Wenn er zu einer anderen gegangen ist, dann ist es mit ihr besser für ihn.
Lena. (Lächelt.) Was? Ein Mann ist kein Kalb? Ich habe meinen zweiten Mann aus der Familie weggeschnappt. Männer brauchen nicht viel. Winke mit dem Finger, schwing die Hüften — und sie folgen dir bis ans Ende der Welt!
Jelena Pawlowna. Na, ich weiß nicht. Ich bin sicher, von einer guten Frau wird ein Mann niemals weggehen. Und was weibliche Solidarität oder irgendwelche Gewissensbisse betrifft. Das ist mir fremd. Für sein Glück, Mädchen, muss man kämpfen! Bis zum Ende gehen!
(Das Licht im Saal erlischt. Alle Heldinnen erstarren. Ein Scheinwerfer beleuchtet Lena. Sie steht vom Stuhl auf und tritt langsam in die Mitte der Bühne, wendet sich an den Saal.)
Pause
Lena. Die arme Lenusja… Sie gibt sich solche Mühe, glücklich auszusehen, und ahnt nicht, dass ihr Mann sie betrügt. Ja. Ich weiß Bescheid! In der Nähe meines Hauses ist ein Restaurant. Ich sehe dort oft Jelena Pawlowna und Sergej, Lenusjas Mann. Sie sitzen am Tisch, halten sich an den Händen, lächeln. Sie sind Liebhaber! Das ist eine Tatsache! (Grinst.) Jelena Pawlowna… Ich wusste, dass sie eine Miststück ist, aber so niederträchtig zu sein. Wozu braucht sie das? Worauf hofft sie? Mein Bruder arbeitet in einer Privatklinik. Er hat mir schon vor ungefähr drei Jahren erzählt, dass Lenusjas Mann bei ihnen in Behandlung ist. Er hat Probleme mit seiner Männlichkeit. Er ist unfruchtbar. Sie verschreiben ihm starke Medikamente, damit er seine eheliche Pflicht erfüllen kann. Wozu braucht sie ihn, einen Impotenten? Wegen des Geldes? Die dumme Jelena Pawlowna, erinnert sie sich denn nicht, dass Lenusjas Papa ihnen noch auf der Hochzeit das Startkapital für ihr eigenes Business geschenkt hat? Und wenn man Lenusjas Liebe zum Geld und ihren Wunsch, über alles und jeden zu herrschen, kennt, ist es naiv zu glauben, dass sie die Zügel der Geschäftsführung irgendwem überlassen würde. Sie ist die Hauptperson in ihrer Familie. Und im Business wahrscheinlich auch! Ich möchte Lenusja wirklich von ihrem untreuen Mann erzählen. Ich möchte Jelena Pawlowna wirklich warnen, dass mit diesem Mann ihr nichts blüht. Aber… (Grinst.) Ich werde schweigen. Werde von der Seite zusehen, wie das alles endet!
(Dreht sich um und kehrt mit gemächlichem Gang zum Tisch zurück. Der Scheinwerfer erlischt. Das Licht im Saal geht an. Die Heldinnen unterhalten sich weiter.)
Lenusja. Für sein Glück muss man natürlich kämpfen, nur, ehrlich gesagt, einem Mann, der aus der Familie zu einer Geliebten gegangen ist, würde ich nicht sehr vertrauen. Wie man so sagt, ging er einmal — wird auch ein zweites Mal gehen! (Lächelte.) Mädchen, ich bin glücklich, dass ich euch habe. Ich bin so froh, euch zu sehen. (Steht auf.) Danke, dass ihr zugestimmt habt, euch heute zu treffen. Habt alle eure Angelegenheiten zurückgestellt, seid gekommen. (Gerührt.) So viele Jahre sind vergangen, seit wir die Schule beendet haben, und wir sind immer noch befreundet und kommunizieren. Ich sehe euch an und verstehe, dass unsere Freundschaft — das ist für immer! Ich liebe euch. Danke euch für alles.
(Alle Heldinnen stehen auf und, gerührt, mit Tränen in den Augen, beginnen sie, sich zu umarmen.)
(Das Licht im Saal erlischt. Alle Heldinnen erstarren. Ein Scheinwerfer beleuchtet Lenok. Sie steht vom Stuhl auf und tritt langsam in die Mitte der Bühne, wendet sich an den Saal.)
Lenok. In der Schule war ich bei den Jungs nicht beliebt. Sie sahen in mir mehr einen Freund als ein Mädchen. Und mit den Lehrern gab es oft Probleme. Ich habe den Unterricht wegen des Sports versäumt. Die Mädchen in der Klasse mochten mich irgendwie auch nicht. Nur Lena, Lenusja und Jelena Pawlowna kommunizierten mit mir und nannten mich Freundin. Ja, sie sind nicht perfekt! Sie sind hinterlistige, neidische, falsche Menschen, die zu jeder Gemeinheit bereit sind! Aber… sie sind meine Freundinnen aus Kindertagen.
Wenn man es mit Schlangen zu tun hat, ist das Wichtigste, was man beachten muss — die Aufmerksamkeit. Sobald du dich abwendest oder entspannst, beißt die Schlange sofort zu. Dasselbe gilt für Freundinnen. (Lächelt.) Damit sie dir nicht neidisch sind, darf man ihnen nicht zu viel erzählen! Sie wissen nicht und werden niemals erfahren, dass ich schon seit fast zehn Jahren in einer glücklichen Ehe lebe und zwei Kinder habe. Sie wissen nicht und werden niemals erfahren, dass ich Fitnessstudios im ganzen Land und darüber hinaus habe. Ich bin eine glückliche Ehefrau, Mutter und eine erfolgreiche Businessfrau. All das habe ich selbst erreicht. Durch harte Arbeit und… die Fähigkeit, den Mund zu halten. (Lächelt.) Je weniger deine Freundinnen über dich und dein Leben wissen, desto länger bleiben sie dir Freundinnen! Im Grunde hassen wir einander, aber aus irgendeinem verdammten Grund treffen wir uns alle fünf Jahre und tun so, als wären wir die besten Freundinnen und hätten uns sehr füreinander gesehnt! Wie lange dieser Farce noch andauern wird, weiß ich nicht. Aber etwas sagt mir, dass bei unserem nächsten Treffen, falls es natürlich stattfindet, wir wirklich etwas zu besprechen haben werden! (Lächelt.) Woher ich das weiß? Lass das mein kleines Geheimnis bleiben…
(Dreht sich um und kehrt mit gemächlichem Gang zum Tisch zurück. Der Scheinwerfer erlischt. Das Licht im Saal geht an.)
Erzähler. Eines Tages an einem gewöhnlichen Sommerabend in der VIP-Zone eines teuren Restaurants trafen sich vier dicke Freundinnen. Vier Lenas.
Vorhang.
Ende.
Willkommen in Krasnosibirsk. Der Weg nach Hause
Indem er den Blick über den «BigTruck» schweifen ließ, stieg Andrei schnell vom Hügel hinunter auf die Schotterstraße und lief, aufgeregt, auf Prochor Fomitsch zu, der etwas verängstigt vor sich hin murmelte.
— Prochor Fomitsch, Prochor Fomitsch — schrie Andrei.
Der zuckte zusammen…
— Was? Wer? Wer bist du? Was willst du?
— Ich bin Andrei…
— Was für ein Andrei zum Teufel? Ich habe nichts gesehen und weiß von nichts… Lass mich in Ruhe! Ich muss los!
— Warten Sie, wo wollen Sie hin? Bleiben Sie stehen…
— Ich sage dir, lass mich in Ruhe, ich kenne dich nicht!
— Wie, Sie kennen mich nicht? Ich bin Andrei Malzew. Der Ehemann von Ljuba. Ihrer Chefin.
— Es ist mir egal, wer du bist. Ich habe keine Vorgesetzten. Ich mache mein eigenes Ding! Ich sammle Beeren… Lass mich in Ruhe! Geh, wohin du wolltest!
— Bitte, bleiben Sie stehen…
— Lass mich in Ruhe, sage ich… Du klebst ja an mir.
— Nur eine Frage, und ich gehe. Bitte.
Prochor Fomitsch blieb stehen und sagte nervös:
— Was willst du? Mach schon, ich habe keine Zeit!
Andrei holte Luft und fragte:
— Welches Jahr haben wir jetzt?
— Was? — staunte Prochor Fomitsch. — Bist du betrunken oder was, oder bist du verrückt?
— Sagen Sie einfach, welches Jahr jetzt ist… Bitte!
— Pfui Teufel, du teuflische Natur. Eindeutig verrückt! Die Häuptchen laufen ja auch so herum, verrückte! Lass mich in Ruhe, sonst kriegst du meinen Stock zwischen die Augen.
Und, sich scharf umdrehend, ging er auf den Betonzaun mit dem Stacheldraht zu.
— Aber warten Sie doch… Sagen Sie es einfach, und ich gehe.
— Lass mich in Ruhe!
— Gehen Sie zum Durchschlupf?
Prochor Fomitsch blieb stehen und, mit aufgerissenen Augen, fing er schnell an zu faseln:
— Zu welchem Durchschlupf? Wovon redest du? Ich weiß von nichts! Wer bist du? Was willst du? Lass mich in Ruhe! Was klebst du denn an mir?
— Beruhigen Sie sich, ich erkläre alles.
— Was willst du erklären? Was willst du?
— Ich kenne den Durchschlupf…
— Welchen Durchschlupf?
— Prochor Fomitsch, haben Sie keine Angst!
— Aber ich habe doch keine Angst… Wer hat dir gesagt, dass ich Angst habe? So was, auch noch erfunden. Schau einer an… Wovor sollte ich Angst haben? Wozu? Ich bin ein ehrlicher Mensch. Ich sammle einfach nur Beeren, und das war’s!
— Beruhigen Sie sich, alles ist in Ordnung!
— Ich bin ruhig… war ich… bis ich dich getroffen habe! Was willst du von mir?
— Welches Jahr ist jetzt? Datum und Monat? — sagte Andrei leise und sah Prochor Fomitsch in die Augen.
— Meinst du das ernst? — runzelte der die Stirn. — Ich dachte, du scherzt!
— Bitte, sagen Sie es.
— Und dann gehst du? Lässt mich in Ruhe?
— Ja!
— Sechster Juli 1980. Alles? Bist du zufrieden?
— Sehr zufrieden! — Andrei lächelte. — Noch drei Jahre vor uns! Also habe ich alles richtig verstanden. Ich bin glücklich, vielen Dank! — rief er fröhlich.
— Leise, leise, was schreist du denn, du Besessener? Willst du, dass uns die Grenzer hören? Willst du ins Gefängnis? Hier darf man nicht sein, verbotene Zone!
— Oh, oh, verzeihung… — flüsterte Andrei schuldbewusst. — Habe ich ganz vergessen!
— So was darf man nicht vergessen! Das gibt eine Straftat!
— Entschuldigung!
— Na, alles? Ich habe gesagt, was du wolltest. Geh jetzt, wohin du wolltest!
— Ja. Vielen Dank! Ich gehe…
— Wohin gehst du? Man muss durch den Durchschlupf verschwinden.
— Ja, das werde ich. Hier nicht weit. Im Lauf, dreißig Minuten, und ich bin zu Hause.
— Bei so einer Hitze laufen? Eindeutig besessen!
— Machen Sie sich keine Sorgen, alles wird gut!
— Na ja, na ja… — lächelte Prochor Fomitsch. — Und wer hat dir von dem Durchschlupf erzählt? Sicherlich der lahme Paschka, der auf dem Markt handelt? Der hat eine lose Zunge. Schwätzt immer, was das Zeug hält!
— Sie haben es mir gesagt.
— Du lügst! — rief Prochor Fomitsch nervös. — Ich habe dir gar nichts gesagt! Du lügst doch! Ich kenne dich überhaupt nicht!
— Alles richtig — sagte Andrei –, Sie haben nichts gesagt… aber in drei Jahren werden Sie es sagen.
— Was?
— Längere Erklärung. — Andrei lächelte. — Danke Ihnen für alles! Sie sind ein guter Mensch. Passen Sie auf sich auf!
— Aha… Und du pass auch auf dich auf!
— Und merken Sie sich, Prochor Fomitsch, was auch immer in der Zukunft passiert… Seien Sie sicher, Sie sind nicht verrückt!
— Ich weiß! — lächelte er. — Aber was dich betrifft, da bin ich mir nicht sicher!
— Alles Gute — rief Andrei im Laufen und rannte die Schotterstraße entlang. In Richtung der Fünfstöckigen Gebäude.
Prochor Fomitsch schaute ihm noch einige Zeit nach, und sagte dann argwöhnisch:
— Irgendwie komisch! — und, ächzend, kroch er in den Durchschlupf unter dem Zaun.
Orlow öffnete die Augen. Ohne Eile und aufmerksam sah er sich um. Auf seinem Gesicht erschien ein breites Grinsen. Er erinnerte sich… Verstand, dass er sich in seinem eigenen Zuhause befand! Auf seinem geliebten Sofa! Ohne sich zu bewegen und praktisch ohne zu atmen, lag er einfach still da. Und mit den Augen betrachtete er sorgfältig und gierig jedes Detail des Interieurs seiner Einzimmerwohnung. Er dachte nach, erinnerte sich… Was war das gewesen? Ein Traum? Oder… was? Er erinnerte sich genau, wie er auf den Knopf des Zünders gedrückt hatte. Erinnerte sich an den Schmerz, den er bei der Explosion gespürt hatte. Aber wie? Warum war er dann am Leben? Liegt ruhig auf dem Sofa und denkt über all das nach. Es gab viele Gedanken, viele Fragen. Und, wie immer, Antworten — genau null!
Die lautlose Stille wurde durch das Klingeln des Telefons im Flur zerstört.
Orlow zuckte zusammen.
Außer Atem und schweißnass stürzte Andrei in seine Wohnung. Und mit schnellen Schritten ging er in die Küche.
Ljuba machte das Mittagessen.
Andrei trat auf sie zu und küsste sie abrupt auf die Wange.
— Was ist mit dir? — schnaubte sie. — Ganz nass bist du! Hast du Milch gekauft?
— Nein, Liebling… Entschuldigung.
— Warum? — runzelte sie die Stirn. — Was ist mit dir? Was ist los?
— Ich bin gerannt!
— Von wo?
— Von weit her…
— Andrei, machst du dich lustig, ja? Ich habe dich nach Milch geschickt, und du rennst irgendwo herum?
— Entschuldigung. Ich komme erst zu Atem und gehe… Nochmal!
— Okay… kaufst du sie morgen. Geh lieber mit den Kindern spazieren, während ich den Kohlsuppe koche.
— Mit den Kindern? — er lächelte. — Mit Vergnügen!
Andrei betrat vorsichtig das Kinderzimmer.
Auf dem Boden saßen sein Sohn Serjoscha und die Tochter Mascha. Sie spielten. Sie bauten eine Stadt aus Bauklötzen.
Andrei lächelte bescheiden, seine Augen wurden feucht.
Er küsste Serjoscha auf den Scheitel und nahm Mascha auf den Arm.
— Wie klein du doch bist — sagte er, fast weinend. — Du bist erst fünf Jahre alt.
Er drückte sie fest an sich und küsste sie auf die Wange.
— Papa, du bist ja ganz nass. Was ist mit dir? — sagte Mascha lächelnd.
— Alles ist gut, meine Sonne. Jetzt ist schon alles gut! — antwortete Andrei mit zitternder Stimme.
— Lasst uns spazieren gehen! — sagte er lächelnd.
Und, Serjoscha mit dem anderen Arm packend, trug er sie spielerisch und fröhlich in den Flur. Die Kinder jauchzten vor Freude und lachten. Sie zogen ihre Schuhe an und flitzten schnell zur Tür hinaus.
Das Telefon klingelte unaufhörlich! Orlow knirschte verärgert mit der Zunge und sprang abrupt vom Sofa. Mit großen und schweren Schritten betrat er den Flur und nahm den Telefonhörer ab:
— Orlow! Höre! — sagte er laut und gereizt.
— Genosse Hauptmann, erlauben Sie zu melden, Diensthabender Petrow! — erklang eine stakkatoartige, burschikose Stimme am anderen Ende der Leitung.
— Erlaubt. Melden!
— Beobachtungstürme: erster, zweiter, dritter, vierter, fünfter und sechster — ohne Beanstandungen und Vorkommnisse. Der Verkehrsposten im Stadtzentrum meldete: ohne Beanstandungen und Vorkommnisse. Meldung beendet!
— Was soll das heißen, beendet? Und warum hast du nichts über das Institut für Kernphysik gesagt?
— Über welches Institut? — fragte der Diensthabende verständnislos.
— Über das Institut für Kernphysik namens Wladimir Iljitsch Lenin! — nervlich, jedes Wort betonend, schrie Orlow.
— Bei uns in der Stadt gibt es keine Institute! Nur eine Schule und ein Technikum.
— Meinst du das jetzt ernst? — fragte Orlow gereizt.
— Jawohl, ernst!
Orlow drehte den Kopf in Richtung Küche und schaute zum Fenster…
Durch das geöffnete Fenster strömte leicht heiße Sommerluft.
Er sah genauer hin.
— Welches Datum ist heute?
— Sechster Juli — antwortete der Diensthabende.
— Oh je… — Orlow war wie versteinert. — So was…
— Genosse Hauptmann, ist etwas nicht in Ordnung?
— M-ja…
— Was?
— A… ja… ich… Sag mir… wie war doch gleich dein Name?
— Petrow.
— Ja… Petrow… Sag, warum meldest du mir zu Hause?
— Sie selbst haben befohlen, während Ihres Urlaubs Ihnen zu Hause zu melden!
— Während meines Urlaubs? — fragte Orlow erstaunt nach.
— Jawohl!
— Und wie lange bin ich schon im Urlaub?
— Seit Freitag.
— Aha… — dachte nach. — Und was haben wir heute?
— Sonntag — antwortete der Diensthabende vorsichtig.
— Richtig… Alles stimmt… — sagte Orlow langsam, nachdenklich. — Du weißt alles… Bist bereit für den Dienst. Gut gemacht. Du, das… wie war doch gleich?
Petrow.
— Ja… richtig… Petrow… Sag Smirnow, er soll sofort zu mir kommen! Muss wegen einiger Angelegenheiten weg!
— Welchem Smirnow?
— Meinem Fahrer!
— Sie haben den Fahrer Saizew! Und wer dieser Smirnow ist, weiß ich leider nicht. Entschuldigung!
— Saizew? — wunderte sich Orlow.
— Jawohl! Saizew!
Er schaute wieder zum Küchenfenster und dachte nach.
— Genosse Hauptmann, soll ich Saizew sagen, dass er Sie abholen soll?
Orlow schaute zum Fenster und schwieg.
— Hallo, Genosse Hauptmann, hören Sie mich, hallo…
Die helle Sommersonne blendete die Augen. Vögel zwitscherten auf den Baumzweigen.
— Genosse Hauptmann, hören Sie mich? Hallo!
— Ich höre, ich höre, brüll nicht so — sagte Orlow ruhig. — Er braucht nicht zu mir zu kommen. Ich habe es mir anders überlegt!
— Gut! — sagte der Diensthabende. — Brauchen Sie sonst noch etwas?
— Ja… Sag mir, Petrow… — er schaute wieder zum Küchenfenster. — Welches Jahr ist jetzt?
— Jahr? — fragte der Diensthabende nach.
— Ja. Welches Jahr ist jetzt?
— Achtziger.
— 1980 — tes Jahr?
— Jawohl! Und was?
— Nichts… Alles ist gut… — Orlow schluckte ängstlich. — Alles stimmt! Du weißt alles. Ich wage nicht, dich länger aufzuhalten. Wenn ich dich brauche, rufe ich an!
— Ich diene der Sowjetunion!
— Weggetreten! — sagte Orlow und legte den Telefonhörer auf.
Ein paar Minuten stand er bewegungslos da, mit nachdenklichem Gesichtsausdruck. Und danach ging er langsam in die Küche und trat ans Fenster.
— Sechster Juli… achtziger Jahr… ich bin im Urlaub… — sagte er nachdenklich.
Draußen spielten Kinder im Hof Fußball. Zwei alte Frauen auf der Bank neben dem Hauseingang unterhielten sich angeregt über irgendetwas.
— Sechster Juli… achtziger Jahr… ich bin im Urlaub… — wiederholte er noch einmal.
Dann trat er vom Fenster zurück und öffnete den Kühlschrank. Nahm automatisch drei Hühnereier und ein Liter-Glas mit Schweineschmalz, mit einem Holzlöffel darin. Er wollte den Kühlschrank schon schließen, als er plötzlich wie angewurzelt stehen blieb. Sein Blick blieb am unteren Fach hängen, auf dem drei Zucchini lagen, ordentlich in einer Reihe aufgereiht.
Er nahm eine davon in die Hand und sagte:
— Zucchini? Woher sind die hier? Ich mag keine Zucchini! Seltsam!
Er schloss den Kühlschrank und trat wieder ans Fenster:
— Woher kommst du in meinem Kühlschrank? — sagte er, die Zucchini ansprechend. — Häh? Ich habe dich nicht gekauft, das ist sicher!
Schaute aus dem Fenster:
— Wäre Mama hier… sie wüsste, was man mit dir machen könnte! — sagte er nachdenklich und schaute in den Flur zum Telefon.
Andrei saß auf der Bank und sah zu, wie seine Kinder im Sandkasten spielten.
Sein Lächeln verschwand plötzlich von seinem Gesicht.
Er erinnerte sich an Hauptmann Orlow.
— Ich muss ihn sehen! Mit ihm über das Geschehene sprechen — dachte Andrei.
Und stand von der Bank auf:
— Kinder, es ist Zeit für uns!
— Papa, wir sind gerade erst rausgekommen. Warum müssen wir nach Hause? — empörte sich Mascha.
— Es ist heiß draußen. Es könnte einen Sonnenstich geben!
— Wir sind doch im Schatten — sagte Serjoscha.
— Im Schatten kann es auch einen Stich geben… nur einen Hitzschlag! — bemerkte Andrei geschäftsmäßig und, die Kinder an der Hand nehmend, führte er sie mit schnellen Schritten nach Hause.
— Seid ihr schon zurück? — wunderte sich Ljuba, als sie ihre Familie an der Türschwelle sah. — Nur dreißig Minuten seid ihr spazieren gewesen?!
— Es ist sehr heiß dort! — antwortete Andrei sofort.
— Mama, wir waren im Schatten — beschwerte sich Serjoscha.
— Im Schatten kann es auch einen Stich geben. Nur einen Hitzschlag — sagte Ljuba.
— Siehst du, und du hast mir nicht geglaubt! — fügte Andrei hinzu, sich an Serjoscha wendend. — Am Abend gehen wir noch mal spazieren, keine Sorge.
Serjoscha lächelte und rannte in die Küche.
Ljuba füllte heiße Kohlsuppe in Teller.
— Wasch dir die Hände, wir essen gleich — wandte sie sich an Andrei.
— Ich habe keinen Hunger, ich muss gehen!
— Wohin denn? — kniff Ljuba die Augen zusammen.
— Wegen einiger Angelegenheiten!
— Wegen welcher Angelegenheiten?
— Ljuba… — zuckte zusammen, den Ton hebend, Andrei.
— Was? — fragte Ljuba ruhig. Aber in dieser Ruhe lauerte die Glut eines Skandals, die Andrei nicht anzufachen wagte. Und, bescheiden lächelnd, antwortete er:
— Ich habe dir versprochen, Milch zu kaufen und habe sie nicht gekauft. Das ist unzulässig! Verstehst du? Ich gehe und kaufe sie jetzt sofort. Wie ich es dir versprochen habe!
— Was? — staunte Ljuba. — Ach, komm schon… Was du… Kauf sie morgen, mach dir keine Sorgen! — sie errötete kokett. — Was bist du doch für ein Guter!
— M-ja… Ich gehe… — Andrei senkte den Blick. — Nur vorher rufe ich noch an.
— Wen?
— Ljuba, was ist das für ein Verhör? Ich rufe auf der Arbeit an.
— Du bist doch im Urlaub?!
— Sanitsch hat darum gebeten. Muss eben sein.
Andrei trat ans Telefon und fing eilig an, die Zahlen zu wählen, sie mit den Lippen lautlos wiederholend.
Nach einiger Zeit
Orlow hantierte in der Küche am Herd. Summte sich dabei irgendeine Melodie vor sich hin.
Es klingelte an der Tür.
— Oh je — wunderte er sich — wer könnte das sein?
Als er die Tür öffnete, sah er auf der Schwelle Andrei, der ihn mit verrücktem Blick ansah und schwer atmete.
— Hallo — sagte Orlow ruhig — komm rein, zieh die Schuhe aus, komm in die Küche.
Andrei fügte sich gehorsam.
— Setz dich — sagte Orlow — hast du Hunger?
— Was? — fragte Andrei leise.
— Ich frage, wirst du essen? Gebratene Zucchini mit Eiern.
— Ich…
— Stell dir vor… — unterbrach ihn Orlow — ich öffne die Augen… Und ich bin zu Hause! Liege… betrachte alles… Es ist gut, zu Hause zu sein, nicht wahr?
— Nun…
— Und dann klingelt das Telefon wie verrückt — unterbrach er ihn wieder — ich zucke sogar zusammen. Hatte von der Arbeit angerufen. Sagten, ich sei im Urlaub!
— Ich bin auch im Urlaub! — platzte Andrei schnell heraus.
— Gratuliere! — sagte Orlow anerkennend und schüttelte ihm die Hand.
Andrei lächelte.
— Und sie sagten auch, dass heute der sechste Juli 1980 ist. Stell dir vor? Wusstest du das?
— Wusste ich. Weiß ich!
— Jaaa… und ich weiß es jetzt auch — sagte Orlow nachdenklich — so, wirst du Zucchini essen oder nicht? Ich habe viel gebraten, für zwei reicht es!
— Werde ich! — antwortete Andrei munter.
Orlow nahm die Pfanne und legte die Zucchini sorgfältig gleichmäßig auf zwei Teller:
— Und ich, also, öffne den Kühlschrank — fuhr er fort — und sehe sie im unteren Fach… — senkte den Blick auf den Teller. — Aber ich mag Zucchini nicht besonders und ich erinnere mich genau, dass ich sie nicht gekauft habe! Seltsam! Stimmt’s?
— Ja… seltsam… Woher sind sie dann?
— Keine Ahnung! Liegen so in einer Reihe. Drei Stück.
Beide dachten nach.
— Iss, iss — sagte Orlow plötzlich — wie schmeckt’s dir übrigens?
— Habe es nicht erwartet, aber lecker! — sagte Andrei lächelnd. — Ich selbst mag Zucchini auch nicht besonders. Aber die Geschmackskombination hat mich überrascht!
— Ich bin selbst geschockt! Einfach die Zucchini in Ringe geschnitten, von beiden Seiten in der Pfanne gebraten und alles mit drei Hühnereiern übergossen. Gesalzen, gepfeffert, und bitte schön… Köstlich!
— In der Tat — kaute Andrei begeistert. — Wer hätte gedacht, dass es so lecker wird?
— Aber ich hätte es mir bestimmt nicht gedacht!
Beide lachten.
— Habe heute mit Mama telefoniert, ganze 20 Minuten! Würde länger reden, aber man hat uns getrennt. Geheimobjekt eben, verstehst du!
— Verstehe — nickte Andrei.
— Und sie sagen zu mir, so, Genosse Hauptmann, Sie reden zu lange mit Ihrer Mutter. Hören Sie sofort auf! Und haben getrennt. Stell dir vor? Habe ihr einen Passierschein besorgt. In einer Woche kommt sie zu Besuch!
— Toll! — freute sich Andrei. — Gratuliere!
— Jaaa… — sagte Orlow nachdenklich. — Danke. Ich habe sie drei Jahre nicht gesehen. Sie ist 82 gestorben!
In der Küche herrschte minutenlang Stille.
— Und heute… jetzt… — fuhr er fort, ins Nichts starrend — habe ich mit ihr gesprochen! Und in einer Woche werde ich sie sehen! Seltsam! Was meinst du?
Andrei wollte antworten, aber Orlow unterbrach ihn wieder:
— Und wer bist du eigentlich?
Andrei hustete, verschluckte sich:
— Was?
— Ich frage, wer bist du? Woher kennst du mich?
— Meinen Sie das ernst?
— Und was, sieht es so aus, als ob ich scherze?
Andrei sah Orlow an und wusste nicht, was er sagen sollte:
— Nun…
— Was nun? Kennst du mich?
— Ja.
— Schon lange?
— Nicht so besonders.
— Wo haben wir uns kennengelernt?
— Auf Ihrer Arbeit.
— Unter welchen Umständen?
— Sie haben mich verhaftet!
— Oh je. Wofür? Bist du ein Verbrecher?
— Nein! Ich bin ein ehrlicher, anständiger Mensch! — platzte Andrei gereizt heraus.
— Warum habe ich dich dann verhaftet? Ehrliche verhaftet man nicht!
— Aber Sie haben mich verhaftet! — presste er zwischen den Zähnen hervor. — Und noch…
— Okay, okay, ich hab’s verstanden! — unterbrach ihn Orlow schreiend. — Du bist ein ehrlicher Mensch! Anständig. Reg dich nicht auf! Sag mir, was hast du gemacht, dass ich dich verhaftet habe? — sagte er, Andrei intensiv in die Augen blickend.
— Erinnern Sie sich an nichts?
— Sprich!
Andrei schluckte:
— Ich… habe Leute beobachtet… mit einem Fernglas…
— Sooo… — zog Orlow die Silbe. — Wozu?
— In der Stadt sind seltsame Dinge passiert. Erinnern Sie sich wirklich an nichts? Ich gehe wohl besser?!
Andrei stand vom Stuhl auf.
— Setz dich! — befahl Orlow scharf.
Andrei setzte sich auf den Stuhl.
Orlow beugte sich langsam zu ihm und sagte leise:
— Sprich! Was ist in der Stadt passiert? Welche seltsamen Dinge?
Andrei seufzte und fuhr mit zitternder Stimme fort:
— Ich… versuche es Ihnen zu erklären… aber… wenn Sie sich nicht erinnern…
— Nicht herumdrucksen! Sprich!
— Im Institut für Kernphysik…
— Das, das am Stadtrand gebaut wird? — mischte Orlow sich ein.
— Ja.
— Weiter!
— Also… Dort haben Wissenschaftler einen elektromagnetischen Beschleuniger getestet…
— Halt! Was? Woher weißt du, wie er heißt?
— Habe den Namen gelesen, als er an mir vorbeigefahren wurde.
— Was? Na los, na los, genauer. Wer, wohin wurde gefahren?
— Ich bin heute aufgewacht… Im Sinne von… Ich war… Also, ich war am Stadtrand… Habe mich zufällig dort aufgehalten! Absolut zufällig! Kurz gesagt, diese Ungetüm wurde auf einem riesigen Anhänger transportiert, umgeben von bewaffneten Soldaten. Und als dieser Anhänger an mir vorbeifuhr, habe ich den Namen gelesen. Der Planen wurde vom Wind bewegt, und ich habe gelesen. «Elektromagnetischer Beschleuniger geladener Teilchen ‚Taiga-6»».
Orlow erstarrte. Sein Herz begann schneller zu schlagen.
— Was war dann? — sagte er mit halber Stimme.
— Dann? Ich ging nach Hause. Dort darf man nicht sein! Verbotene Zone. Verstehen Sie selbst.
— Davon rede ich nicht! — fuhr Orlow auf. — Du hast von Wissenschaftlern gesprochen!
— Wissenschaftler? Ach ja! Also, sie haben ihn irgendwie getestet, diesen Beschleuniger… Und…
— Was «und»? — Orlow spannte sich an.
— Es erschien ein grüner Rauch — sprach Andrei langsam, jedes Wort betonend. — Er bedeckte die ganze Stadt, mit einer elektrischen Kuppel. Tötete Menschen. Trieb sie in den Wahnsinn, indem er ihnen alle möglichen Halluzinationen ins Hirn schickte.
Orlow schloss die Augen und senkte den Kopf.
— Genosse Hauptmann, erinnern Sie sich wirklich nicht daran?
— Malzew! — Orlow schlug mit der Faust auf den Tisch. — Na, natürlich erinnere ich mich daran! — schrie er gereizt. — Besser würde ich mich nicht erinnern! Was zum Teufel passiert hier? Was? Was passiert? Wie sind wir hier gelandet?
— Genosse Hauptmann — atmete Andrei erleichtert aus und schrie — ich bin so froh, dass Sie sich an alles erinnern! Ich wäre fast verrückt geworden, als Sie zu mir sagten: «Wer bist du?» Ich dachte, Sie wären ein anderer Hauptmann Orlow!
— Was? In welchem Sinne?
— Nun, Hauptmann Orlow aus dem Jahr 1980. Sie kannten mich damals doch wirklich noch nicht!
— Habe nichts verstanden… na, egal! Können Sie mir erklären, was passiert? Warum sind wir hier? Warum leben wir? Ich habe doch das Institut gesprengt!
— Sie haben es tatsächlich getan? — wunderte sich Andrei.
— Jawohl! Getan! Erinnere mich sogar an den Schmerz… bei der Explosion… Unangenehme Gefühle, gelinde gesagt!
— Und ich bin gestorben! — sagte Andrei lächelnd. — Lebendig verbrannt, wie Sie gesagt haben! Es tat weh, schrecklich!
Orlow runzelte die Stirn:
— Malzew, bist du überhaupt normal? Du erzählst so fröhlich von deinem Tod, als ob es etwas Lustiges wäre!
— Und was soll ich trauern, wir sind doch am Ende am Leben!
— Bin nicht sicher!
— In welchem Sinne?
— Ich habe auf den Knopf des Zünders gedrückt und es gab eine Explosion! Nach so etwas überlebt niemand und nichts, das ist sicher! Aber… Ich lebe! Sitze in meiner Küche und esse gebratene Zucchini mit Eiern. Übrigens, hast du aufgegessen?
— Ja. Danke, sehr lecker!
— Gib den Teller, muss abgewaschen werden.
— Hier, nehmen Sie, danke!
— Also — fuhr Orlow fort, während er das Geschirr im Spülbecken wusch — wie? Warum lebe ich? Und, lebe ich überhaupt?
— Was wollen Sie damit sagen?
— Ich will sagen, Malzew, dass wir beide gestorben sind! Und erinnern uns gut daran! Mehr noch, wir sind irgendwie in der Vergangenheit gelandet. Es gibt nur einen Schluss.
— Welchen? — spannte sich Andrei an.
— Wir sind im Paradies! Nun, oder in der Hölle! Habe es noch nicht genau verstanden. Obwohl ich an so was nicht glaube! Aber, nichtsdestotrotz.
— Interessanter Gedanke — dachte Andrei nach — aber ich denke, dass wir trotzdem am Leben sind. Ja. Am Leben! Einfach in der Vergangenheit gelandet. Das ist alles!
— Ernsthaft? — machte Orlow große Augen. — Einfach in der Vergangenheit gelandet? Einfach?
— Ja! Warum nicht? Ich war doch schon in der Zukunft. Warum sollte man dann nicht in die Vergangenheit gelangen können? Man kann!
— Malzew, hör auf, ich bitte dich! — lächelte Orlow. — Du fängst wieder mit deiner Geschichte an über diese Zukunft, wo es große Geschäfte mit Regalen voller Lebensmittel bis zur Decke gibt?!
— Was? — zuckte Andrei nervös zusammen. — Sie wollten schon wieder lachen? Ich war dort! Sie haben Cracker gegessen mit Geschmack von Sülze und Meerrettich. Gegessen! Fast die ganze Packung allein verputzt!
— Verputzt? — Orlow lachte laut auf. — Was hast du denn für einen Jargon, Malzew. Und du hast noch gesagt, du seist ein anständiger Mensch. Wo sind denn deine guten Manieren?
— Machen Sie das absichtlich, ja? Vorsätzlich verspotten Sie mich? Sie wissen doch, dass ich recht habe! Warum geben Sie es nicht einfach zu?
— Weil, Malzew, ich nicht daran glaube! Deshalb!
— Was soll das heißen? Woran genau glauben Sie nicht? An den grünen außerirdischen Rauch-Mörder? An die Cracker… die Sie gegessen haben? Oder daran, dass wir in der Vergangenheit sind? Woran glauben Sie nicht?
Orlow senkte den Kopf:
— An nichts glaube ich — sagte er mit leiser, resignierter Stimme — früher habe ich meinen eigenen Augen geglaubt. Und jetzt… Ich weiß nicht, woran ich glauben soll!
— Genosse Hauptmann, in dieser Welt gibt es viele Dinge, an die schwer und sogar unmöglich zu glauben ist. Aber das bedeutet nicht, dass es sie nicht gibt! Verstehen Sie?
Nach einer Minute des Nachdenkens sagte Orlow:
— Nehmen wir an. Einfach annehmen, wir sind in der Vergangenheit. Wie? Wozu?
— Ich denke, als Sie ihn gesprengt haben… dieser Rauch… Er hat uns irgendwie hierher gebracht.
— Wiederhole, wie? Wozu?
— Ich weiß es nicht! Vielleicht zufällig, vielleicht absichtlich.
— Wohl kaum absichtlich — sagte Orlow lächelnd — denn dann können wir dafür sorgen, dass er hier überhaupt nicht erscheint!
— In welchem Sinne? Den Bau stören? Sprengen?
— Malzew, bist du bei Verstand? Man wird uns sofort erschießen, ohne Gericht und Untersuchung!
— Was dann?
— Zunächst werden wir beobachten.
— Wen?
— Nicht wen, sondern was. Den Bau des Instituts! Und wenn es gebaut ist, reden wir einfach mit dem Professor, ihrem Chef. Erklären ihm alles.
— Er wird uns nicht glauben!
— Dann müssen wir sehr überzeugend sein, damit er glaubt!
— Und mit der Führung, mit Ihrer, aus Moskau, kann man nicht reden?
— Meinst du das ernst? Und was soll ich ihnen sagen? Dass im Jahr 1983 grüner Rauch die ganze Stadt tötet. Und woher ich das weiß? Na, ich bin eben von dort… aus der Zukunft!
— M-ja. Sie haben recht, man wird Sie sofort entlassen.
— In die Psychiatrie stecken, und dann entlassen!
— Was soll man dann tun?
— Nur beobachten, Malzew. Beobachten und zuschauen! Ich rufe jetzt meinen UASik und wir fahren und schauen uns diese Baustelle an!
— Aha, Smirnow. Wie geht’s ihm übrigens?
— Nein, Smirnow ist jetzt zu Hause — lächelte Orlow — lungert mit Mädchen auf dem Arbat herum. Mein Fahrer ist jetzt… — dachte nach. — Saizew! Ja, Saizew! Ernsthaft. Sogar zu sehr. Solche mag ich nicht besonders.
— Ach wirklich? — grinste Andrei. — Warum das? Warum mögen Sie Ernsthafte nicht? Sie sind doch, wie ich sehe, ein Frohnatur!
Orlow funkelte Andrei an. Der drehte sich schnell erschrocken zur Seite.
— Ich bin fröhlich — sagte Orlow streng — nur finde ich, dass man sich aus einem Anlass freuen sollte. Und in unserem Leben gibt es leider wenig Anlässe zur Freude. Ich würde sogar sagen, es gibt keine! Nur du allein amüsierst mich mit deinen Geschichten über die Zukunft! — lächelte.
Andrei schüttelte vorwurfsvoll den Kopf:
— Ich werde meine Nerven nicht an Sie verschwenden. Eines Tages werden Sie mir trotzdem glauben. Sie werden dorthin gelangen und glauben!
— Ja — grinste Orlow — so wird es sein! Ich kann es kaum erwarten! Okay, Komödiant, lass uns zum Institut fahren und es uns ansehen.
Ich rufe den Diensthabenden an, lasse ein Auto kommen.
Nach einiger Zeit
Sie traten auf die Straße und, als Orlow seinen Fahrer sah, lächelte er breit und streckte ihm seine Hand entgegen:
— Ooooh… Saizew, hallo, wie geht’s dir?
Der war verdutzt, machte große Augen und fing an zu stottern:
— I-i-ich? Gut.
— Lange nicht gesehen.
— Was? Aber wir haben uns doch gestern gesehen!
— Ach ja? Nun… Gestern… Gut!
— Vielleicht fahren wir schon, Genosse Hauptmann — mischte sich Andrei lächelnd ein — wir haben, sozusagen, keine Zeit!
— Ja, ja… Fahren wir, Saizew.
— Wohin fahren wir, Genosse Hauptmann?
— Fahr einfach. Ich zeige dir den Weg.
Der UAS fuhr über den von Hitze glühenden Asphalt. Orlow streckte den Ellenbogen aus dem offenen Fenster und atmete lächelnd tief die heiße Sommerluft ein. Er schaute auf die vorbeifahrenden Autos und die vorbeigehenden Menschen. Hörte Fragmente ihrer Gespräche und das leise Summen einer lebendigen Stadt. Wie sehr hatte er das alles vermisst! Er blinzelte, schaute in die Sonne und genoss das Zwitschern der Vögel, die sich im Schatten der dichten Pappeln versteckten.
— Genosse Hauptmann — flüsterte Andrei, sich zur Vordersitzlehne vorbeugend — sagen Sie bitte, warum haben Sie mich nach allem ausgefragt, wenn Sie sich an alles erinnerten?
— Wann denn?
— Bei Ihnen zu Hause.
— Ja, ich wollte nur verstehen, was passiert. Dachte, vielleicht träume ich oder so was… Kurz, Zeit geschunden. Nachgedacht!
— Verstehe.
— Aber als ich von der Zukunft hörte, habe ich sofort verstanden, dass du der Echte bist! — lächelte.
Andrei schüttelte den Kopf:
— Der Witz fängt an, mir auf die Nerven zu gehen — murmelte er unzufrieden vor sich hin.
— Saizew, hier lang biegen — Orlow zeigte mit der Hand — und dann geradeaus zur Baustelle fahren.
Du wirst es sehen, da verfehlst du es nicht.
— Jawohl, Genosse Hauptmann!
Nach fünf Minuten hielt der UASik nicht weit vom im Bau befindlichen Gebäude. Orlow und Andrei knallten die Türen zu und gingen mit langsamen Schritten zum Tor des zukünftigen Instituts. Als er sie bemerkte, kam ihnen ein streng aussehender Mann in einer schwarzen Lederjacke, die offen stand, entgegen.
— Ein Sonderbeauftragter! — sagte Orlow leise.
— Woher wissen Sie das?
— Lederjacke, bei so einer Hitze trägt er sie. Und eine Pistole lugt unter der Achsel hervor, siehst du?
Andrei spannte sich an.
— Genossen — rief der strenge Mann — fahren Sie besser zurück, woher Sie gekommen sind! Hier ist ein geheimes Regierungsobjekt! Hier ist kein Platz für Sie!
— Guten Tag — sagte Orlow, näher tretend — ich bin Hauptmann…
— Ich weiß, wer du bist — unterbrach ihn der Mann — habe dein Foto in der Personalakte gesehen. Du bist Orlow. Der örtliche Aufpasser.
— Aufpasser — im Gefängnis — antwortete Orlow streng — aber ich bin in dieser Stadt verantwortlich für die Sicherheit der Bewohner! Bin zur Kontrolle gekommen!
— Zur Kontrolle? — grinste der Mann hämisch. — Hast du den Verstand verloren, Hauptmann? Du hast hier nichts zu kontrollieren! Hier ist nicht dein Zuständigkeitsbereich! Und eine Uniform sehe ich auch nicht an dir. Machst du Kontrollen in Zivil?
— Ich bin im Urlaub — antwortete Orlow.
— Dann geh und ruhe dich schön aus, Hauptmann. Was suchst du hier? — der Mann machte einen Schritt nach vorn.
— Ich führe Kontrollen durch, wann immer ich will! Und in jeder Kleidung. Sogar im Urlaub! — sagte Orlow und machte einen Schritt auf ihn zu.
— Ach ja? — der Mann machte einen Schritt.
— Ja! — Orlow trat vor.
Sie standen sich Auge in Auge gegenüber.
— Irgendwelche Fragen, Hauptmann? — verhöhnte der Mann.
— Eine.
— Ich höre!
— Läuft der Bau nach Plan? Wird er 83 fertig sein?
— Das sind zwei Fragen, Hauptmann. Aber ich werde sie dir beantworten. Werde so gnädig sein!
Orlow ballte die Fäuste.
— Ja. Alles wird genau nach Plan fertig! Zweifle nicht daran! Habe ich deine Fragen beantwortet?! Und jetzt nimm deinen Freund und verschwindet! Sonst…
— Sonst, was? — unterbrach ihn Orlow.
Der Mann grinste und spuckte auf den Boden:
— Sonst wird es dir schlecht ergehen! Wegtreten, Hauptmann!
Orlow sah ihm ernst und intensiv direkt in die Augen und, langsam seinen Zorn ausatmend, drehte sich schweigend um und ging mit schnellen Schritten zum UASik.
Andrei eilte ihm nach, hastig mit den Beinen strampelnd.
— Was war das, Genosse Hauptmann? Mir ist fast das Herz in die Hose gerutscht!
— Mag keine Frechen! — sagte Orlow nervös.
— Kann er Ihnen irgendwie schaden?
— Kann und wird es bestimmt tun!
— Was genau?
— Zunächst einmal, eine Beschwerde nach Moskau schreiben, an seine Leute. Und die werden meiner Führung eine Rüge erteilen!
— Kann man Sie entlassen?
— Können, wenn wir noch einmal hierher kommen. Und wir werden bestimmt nochmal kommen! Oder besser, ich komme. Anders geht es nicht! Das Objekt aus der Ferne zu beobachten, wird nicht klappen! Also, werde ich vorsichtig sein, das ist alles!
— Und warum wollen Sie mich nicht mitnehmen? Ich habe doch sowieso Urlaub!
— Malzew, wenn ich das nächste Mal hierher fahre, ist dein Urlaub schon vorbei. Oder denkst du, das Institut wird in einer Woche gebaut?
— Entschuldigung, habe nicht nachgedacht — Andrei lächelte.
Sie stiegen in den UASik:
— Saizew, fahren wir! Bring mich nach Hause und für heute bist du frei. Aber vorher bringen wir diesen Herrn nach Hause.
— Oh, können wir vorher in einen Laden fahren? — wurde Andrei unruhig. — Ich muss dringend Milch kaufen! Wenn ich ohne nach Hause komme, wird Ljuba sehr unzufrieden sein!
Orlow lächelte und schüttelte den Kopf:
— Malzew, du bist ganz bei dir!
— Was? Wovon reden Sie? — verstand Andrei nicht.
— Von nichts! Fahren wir, Saizew.
Nach einiger Zeit
— So, Malzew, steig aus. Endstation! Dein Haus. Vergiss die Milch nicht!
Andrei stieg aus dem UAS und knallte die Tür zu:
— Danke Ihnen, Genosse Hauptmann!
— Wofür?
— Dass Sie mich mitgenommen haben, dass Sie am Leben sind! Freue mich, Sie bei guter Gesundheit zu sehen!
— Dass ich mitgenommen habe, dafür danke Saizew. Er sitzt am Steuer! Und dass ich lebe, ist nicht mein Verdienst.
— Trotzdem, danke!
— Nichts zu danken, Malzew! — lächelte.
— Vielleicht kommen Sie mit zu mir nach Hause? Trinken Tee, reden.
— Nächstes Mal. Angelegenheiten!
— Nun, dann, auf Wiedersehen!
— Viel Glück!
Orlow sah ihm nach und, schwer seufzend, sagte:
— Fahren wir, Saizew. Nur nicht rasen. Der Tag heute ist wunderbar! Ich will ihn voll auskosten!
07:30 7. Juli 1980
Wohnung von Andrei Malzew.
Der Wecker auf dem Nachttisch ertönte. Und wurde sofort durch eine schnelle Handbewegung von Andrei ausgeschaltet. Er legte sich zurück ins Bett und starrte an die Decke. In seinem Blick waren Unruhe und Angst. Andrei musterte schnell mit den Augen das Zimmer und, schwer atmend, stand er langsam vom Bett auf und ging in die Küche.
Er trat an den Abreißkalender und begann ihn intensiv zu betrachten:
— Sechster, abreißen… — sagte er kaum hörbar. — Ein neuer Tag ist angebrochen! — atmete er erleichtert aus.
Er öffnete das obere Fach des Küchenschranks und räumte alles, was dort war, in das untere Fach. Und in das freigewordene Fach legte er sorgfältig das soeben abgerissene Kalenderblatt.
Dann, bemüht, niemanden aufzuwecken, kehrte er leise ins Schlafzimmer zurück und legte sich vorsichtig ins Bett.
Ljuba bewegte sich, streckte sich, öffnete ein Auge und fragte mit schläfriger, heiserer Stimme:
— Bist du schon wach? Wie spät ist es?
— Fast acht — antwortete Andrei lächelnd — habe ich dich geweckt? Entschuldigung!
— Alles gut, ich wollte ohnehin aufstehen — sagte sie gähnend, umarmte Andrei und legte sich an seine Schulter.
— Ljuba, wundere dich nicht, in der Küche habe ich alle Löffel und Gabeln in das untere Fach geräumt. Das obere brauche ich für eine Sache!
— Für was für eine Sache?
— Ich habe mir ein Hobby ausgedacht. Ich werde Blätter vom Abreißkalender sammeln!
Ljuba wunderte sich:
— Oh… nun… gut. Seltsames Hobby, natürlich. Vielleicht solltest du lieber Briefmarken sammeln oder alte Münzen?
— Nein! Blätter vom Abreißkalender! Und am Ende des Jahres, oder besser zu Beginn des neuen Jahres, am ersten Januar, werde ich sie wegwerfen.
— Was ist dann der Sinn der Sammlung?
— Der Sinn ist, das ganze Jahr zu sammeln und am Ende wegzuwerfen! — sagte Andrei selbstbewusst.
Ljuba zog die Augenbrauen hoch:
— Ja, Schatz, du hast dem Begriff «Sammler» eine neue Bedeutung gegeben! — lächelte. — Vielleicht schaffen wir es, noch ein bisschen zu schlafen, bevor die Kinder aufwachen?
Kaum hatte sie das gesagt, stürmten die Kinder mit Rufen ins Zimmer:
— Mama, Papa, wir wollen zu euch! — und sprangen ins Bett zu den Eltern.
— Zu spät! — sagte Ljuba lächelnd. — So, Kinder, ab ins Badezimmer und dann in die Küche. Wir frühstücken!
Gegen Mittag rief Andrei Orlow an:
— Genosse Hauptmann, hallo!
— Malzew, bist du das?
— Ja!
— Arbeitest du beim KGB?
— Nein! — wunderte sich Andrei. — Wie kommen Sie darauf?
— Woher hast du meine private Telefonnummer?
— Der Diensthabende hat sie mir gegeben.
— Was? — verschluckte sich Orlow. — Meine Adresse hat dir der Diensthabende auch gegeben?
— Ja. Was ist denn dabei?
— Was ist dabei? Malzew, das ist geheime Information! Die darf man nicht jedem erzählen!
— In welchem Sinne, jedem? Er hat sie mir gegeben! Und nicht irgendwem!
— Was redest du da? — fuhr Orlow auf. — Bist du bei uns eine wichtige Person, ja?
— Ja. Ich bin Ihr Freund!
— Malzew… — Orlow atmete aus.
— Was?
— Nichts! Werde allen in der Dienststelle eine Rüge erteilen, bis zur Vergasung!
— Bitte, nicht! — wurde Andrei unruhig. — Der Diensthabende wollte es mir nicht sagen. Ich habe ihn irgendwie überredet! Habe gesagt, ich sei Ihr Freund. Habe Sie lange nicht gesehen. Drei Jahre! Theoretisch habe ich nicht gelogen. Wir haben uns doch tatsächlich das letzte Mal 1983 gesehen, und jetzt…
— Okay, ich verstehe — mischte sich Orlow ein — was willst du, Freund?
— Ich rufe an, um zu sagen, dass ein neuer Tag angebrochen ist! — rief Andrei fröhlich. — Stellen Sie sich vor? Ein neuer Tag!
Orlow lächelte:
— Ich sehe und höre es. Im Radio wurde genau das gesagt: Mit einem neuen Tag, Genossen!
— Ich habe fast die ganze Nacht nicht geschlafen — sagte Andrei mit Unruhe in der Stimme — hatte Angst einzuschlafen! Habe die ganze Zeit nachgedacht. Es war furchtbar, die Augen zu schließen! Gegen Morgen bin ich nur kurz weggeknickt.
— Ich hingegen bin früher ins Bett gegangen. Habe nicht mal den Wecker gestellt, aber bin trotzdem um 06:00 aufgewacht. Verflixt! Gewohnheit ist eine schreckliche Sache! Dachte, wenn ich wieder in meinem Büro aufwache, dann wenigstens ausgeschlafen. Zur Sicherung habe ich mir meinen Adresse mit Kugelschreiber auf die Handfläche geschrieben. Hat nicht gebraucht!
— Das ist gut, dass es nicht gebraucht wurde, ich bin so müde von diesem Wahnsinn!
— Dir geht’s gut — Orlow strahlte — du bist immer zu Hause aufgewacht. Aber ich, nicht nur dass ich nie geschlafen habe, sondern bin auch immer auf der Arbeit gelandet. Bums… Und sitze am Tisch! Was für ein Irrenhaus!
— Dafür mussten Sie sich nicht waschen, anziehen, zur Arbeit gehen. Sie sind schon auf der Arbeit. Sehr bequem!
Sie lachten.
Als das Lachen verstummte, seufzten beide schwer.
— Malzew, alles ist gut. Lebe ein normales Leben. Es ist noch Zeit! Hör auf, an Schlechtes zu denken. Schenke lieber deiner Familie Aufmerksamkeit! Es ist doch Sommer. Du bist im Urlaub. Erhole dich!
— Stimmt — Andrei dachte nach — vielleicht an den Fluss fahren? Schwimmen, sonnen.
— Genau, genau, richtig gedacht!
— Das werde ich tun, rede jetzt mit Ihnen und dann fahren wir, erholen uns!
— Gut gemacht! Weiter so!
— Und Sie, was werden Sie tun?
— Habe eine kleine Idee. Erzähle später.
— Gut. Dann gehe ich jetzt, erfreue meine. Die mögen aktive Erholung.
— Geh — Orlow lächelte — viel Glück!
— Auf Wiedersehen.
Andrei legte den Telefonhörer auf die Gabel und, ein paar Sekunden nachdenkend, rief er lächelnd:
— Kinder, Liebling, macht euch fertig, wir fahren an den Fluss.
— Hurra, wir fahren an den Fluss! — kreischten die Kinder fröhlich und rannten aus ihrem Zimmer.
Nach einiger Zeit
Andrei saß am Flussufer und, breit lächelnd, sah zu, wie seine Kinder sich fröhlich im Wasser tummelten. Daneben sonnte sich Ljuba auf einer Decke. Er hob den Kopf und, blinzelnd, schaute in die Sonne und auf die großen, flauschigen Wolken, die langsam und sorgenfrei irgendwo hinter den Horizont zogen. Zum ersten Mal seit langen Tagen war Andrei glücklich und ruhig!
— Alles wird gut! — dachte er und, Ljuba ansehend, sagte er mit halber Stimme. — Ich liebe dich!
— Ljuba nahm den Panamahut vom Gesicht und, blinzelnd vor dem hellen Sonnenlicht, antwortete:
— Ich liebe dich auch! Gute Idee mit dem Fluss, gut gemacht! Die Kinder sind begeistert! Du passt übrigens auf sie auf?
— Passe auf — antwortete Andrei, breit lächelnd — passe auf!
20:30 7. Juli 1980
Wohnung von Andrei Malzew.
Die Kinder schliefen friedlich im Kinderzimmer. Ljuba war im Badezimmer.
Andrei wählte die Telefonnummer:
— Hallo, Genosse Hauptmann, ich bin’s.
— Warum flüsterst du?
— Die Kinder schlafen schon. Und wenn Ljuba es hört — gibt es Probleme!
Orlow lächelte:
— Warst du am Fluss?
— Ja! Es war schön, aber anstrengend! Wir haben beschlossen, früher ins Bett zu gehen. Sehr müde!
— Verstehe.
— Und Sie, was haben Sie gemacht?
— Gelesen! Viel!
— In welchem Sinne?
— Bin in die Stadtbibliothek gegangen und habe einen Haufen Bücher mitgenommen. Den ganzen Tag lese ich!
— Oh je. Und was für Bücher, wenn’s kein Geheimnis ist?
— Physik, Chemie, Biologie. Und verschiedene Zeitschriften zu dem Thema. Interessante Artikel! Bin erledigt! Die Augen tun weh. So viel habe ich in meinem Leben noch nie gelesen!
— Und warum haben Sie das alles gelesen?
— Wollte verstehen, womit wir es zu tun haben?!
— Sie meinen den grünen Rauch?
— Den meine ich!
— Verstehe. Haben Sie etwas verstanden?
— Unsicher, muss die Information verdauen! Und überhaupt, es ist unwahrscheinlich, dass jemand vor uns damit zu tun hatte. Deshalb werde ich morgen weiterlesen. Lesen und denken!
— Verstehe.
— Okay… Freund Malzew — Orlow lächelte — ich gehe schlafen. Und du gehst auch. Der Tag war für alle anstrengend. Man muss sich ausruhen! Morgen wird ein neuer Tag sein!
— Darauf hoffe ich! — Andrei schluckte krampfhaft.
— Zweifle nicht daran! Und wenn der Tag X kommt, werden wir gerüstet sein! Wir bereiten uns vor!
— Ja. Würde diesen Tag X am liebsten ganz vermeiden!
— Wir werden sehen. Vielleicht vermeiden wir ihn. Wer weiß? Die Zeit wird es zeigen!
— Okay, ich gehe — flüsterte Andrei — Ljuba kommt gleich aus dem Badezimmer. Gute Nacht.
— Bis morgen! — lächelte Orlow.
06:30 8. Juli 1980
Wohnung von Andrei Malzew.
Andrei wachte schweißgebadet auf. Im Bett sitzend, sah er sich sehr langsam um. Seine Atmung war schwer und schnell. Das Herz raste. Ihm war schwindlig.
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